Da dies einer der genialsten Abende in der Region war, muß ich einfach über ihn berichten, wenn auch nicht mir der Eloquenz der schreibenden Zunft, deren Vertreter, Herr H., mal wieder schneller war.

Coldcut sind die Gründer des Ninja Tune Labels, dass seit 1990 ein goldenes Händchen für wahrhaft außergewöhnliche Künstler hat, von denen Amon Tobin, Mr. Scruff, DJ Vadim, Cinematic Orchestra, Kid Koala und Herbaliser die bekannteren sind.

DJs und Musikliebhaber eines bestimmten Schlags führen Coldcuts „Journey by DJ“ von 1995 gerne als die beste Mix-CD aller Zeiten an, dies es übrigens auch wiederveröffentlicht auf CD gibt: „If you have any interest in music at all this is as essential as having ears.“ Diesen Ruf verdient sich der Mix primär damit, dass er wahrhaft ohne Brüche stilübergreifend („eklektisch“ war ja ein übernutztes Wort der Musikschreiberlinge der 90er) eine 70-minütige Reise (noch so eine Floskel)durch elektronische Musik bietet. Ich erinnere mich noch, bei einem meiner ersten öffentlichen Gehversuche als DJ (bei einer OpenHouse-Party, vermutlich 1998/99) von dieser CD einen Track mit darübergelegtem Spoken Word von Dead Kennedys-Sänger Jello Biafra gespielt und damit die Crowd durch die Decke geschossen zu haben. (those were the days … Stücke von Mix-Cds spielen wäre heute für mich undenkbar).
Was diese CD auch speziell macht: Sie wurde live auf 4 Turntables gemixt. Nicht nur bei offiziell auf CD veröffentlichten Studio-Mixes ist es heute üblich, dass es mehrere Takes gibt, aus denen dann einfach das beste zusammengeschnitten wird. Auch wenn Coldcut heute digitale Werkzeuge wie Ableton nutzen:

Sie beweisen in einer Zeit, in der jeder mit einem Computer einen „Mix“ zusammenklicken kann, dass es Talent, Musikwissen und technische Skills braucht, um wirklich etwas Schönes zu erschaffen. Das Angebot an DJ-Mixen, war wohl noch nie so groß, wie heute, aber um so rarer sind diejenigen, die auch nur ein Quentchen Kreativität enthalten. Um so trauriger, dass diese Genies an diesem Donnerstag nur gut 100 Leute in die Kulturfabrik ziehen. Es deprimiert mich zu sehen, dass es andernorts volle Säale gibt, wenn Wannabes ihre aus Soulseek geklauten MP3s uninspiriert und holpernd aneinanderkleben.
Auftritte von Coldcut sind ein ganz spezielles, audio-visuelles Erlebnis, denn wohl kaum irgendwo sonst gehen Musik und Video eine so enge Liaison miteinander ein. Es werden nicht nur irgendwelche stummen Clips zur Musik abgefeuert, sondern die Originalvideos mit Soundtrack oder Stimmensamples hörbar gemischt, gescratcht und getriggert.

Als Pioniere dieser Technik gilt das New Yorker Emergency Broadcast Network (Wikipedia), die später auch U2s Zoo-TV-Tour begleiteten (einige ältere Werke hier). Coldcut entwickeln seit Mitte der 90er die eigene Software VJamm, die den Kern ihrer Liveshow ausmacht. Hier ist ein Video in dem Matt Black die Technik des Coldcut-Setups vorstellt:

[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=II_2KKYlEMQ[/youtube]

Das Set beginnt mit dem immer wieder neu remixten More Beats & Pieces, das dem unkundigen Teil des Publikums das Prinzip der Show erklärt: Über HipHop-Beats und den FunkyDrummer teilen sich Jimi Hendrix und Angus Young (Bon Scott war der AC/DC-Sänger, Herr H.!) ein Gitarrenriff, und auch das Dschungelbuch und Peter & der Wolf schauen mal rein.

Ein besonderes Schmankerl des Abends ist der dritte Mann on stage: Der großartige Juice Aleem darf als MC in einigen wenigen Momenten aufblitzen, hält sich aber meist bedeckt und lässt der Musik ihren Raum.

Das Programm rekrutiert sich zu gleichen Teilen aus Tracks des letzten Albums, wie das um ein Bollywood-Sample kreisende Tru Skool mit Roots Manuva (Video) oder Everything is under Control, mit dem rappenden Literaturprofessor Mike Ladd (Video), verschiedenen Fremdkompositionen und Coldcut-Klassikern wie Timber, dessen wortlose Botschaft aktuell ist wie nie:

[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=nLu7p9bTJ84[/youtube]
Nach dem die erwartungsgemäß im Set untergebrachte, poppige Single des letzten Albums Walk a Mile in my Shoes (Video) Gelegenheit zum Bierholen bietet, fährt ZeroDB´s Bongos Bleeps and Basslines vom gleichnamigen Album gleich in die Beine. Darauf folgt dann mit Red Snapper´s – Hot Flush im Sabres of Paradise Remix eine echte Ãœberraschung. Diesen TripHop-Klassiker gab´s schon ganz lange nirgendwo mehr zu hören.

Pünktlich zum Abtritt von Tony Blair bekommt Coldcuts Re:volution einen aktualisierten Mix verpasst. Zur Wahl 2002 gründeten mit der Guilty Party eine eigene Partei, deren „Wahlspot“ auf einem Video-Sample Blairs aufbaut: „The lunatics have taken over the asylum„.

[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=S6KnJ0k_u7w[/youtube]
Up to date gebracht, kommt GWB Jr. auch in Re:volution zu Wort und zeigt im Breakdown dem Publikum, was er von ihm hält
[youtube]https://youtube.com/watch?v=YVynnbx1Xsc[/youtube]
Drum&Bass und Jungle bekommen ihre Viertelstunde, wilder Höhepunkt ist Coldcuts Atomic Moog im nagelneuen Qemists-Remix.

Im Zugabenblock gibt´s dann noch eine Kombination zweier Film- und Musikklassiker: Das auf einem Orgelriff aufbauende Organ Donor von DJ Shadow wird kombiniert mit der Lustorgel-Szene aus dem Kultklassiker Barbarella (1968) mit Jane Fonda. (übrigens am Di. 10.7. auf arte).
[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=wsAqSJ9xzFU[/youtube]
[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=ye5Jo1I4XXc[/youtube]
Wem ich jetzt Lust auf Coldcut gemacht habe, sei der zweistündige Essential Mix vom letzten Jahr ans Herz gelegt (Tracklist). Es gibt wohl noch einen Download. Unter den verschiedenen Podcasts aus dem Hause Ninja, gehört die Solid Steel-Show zu meinen Favoriten.

Es gibt da einen Club, der diesen Monat mal wieder in der hiesigen Presse damit wirbt, an zwei Samstagen „Electronica & Drum&Bass“ auf einem Floor zu bieten. Das macht natürlich neugierig, wer denn genau da aufspielt. Onkel Google hilft: Bei den einen heisst das Motto: „Definitiv Partyhouse„, bei den anderen „Its aal about House Music„. (Was der wohl mit dem Fisch macht?). Also echte Drum&Bass-Experten in the House …

Da sollte wohl manch einer aufpassen, dass er von sowas keine lange Nasen und kurzen Beine bekommt, denn wenn dann noch vom Balken biegen alles zusammenkracht, kommt man vielleicht nicht mehr rechtzeitig weg.
Ich werd sicher nicht nachprüfen, ob´s wirklich Etikettenschwindel ist. Die Herren können ja durchaus in anderen Welten unterwegs sein, auch wenn sich ihre Profile nur um House drehen. Aber wenn D&B da Fehlanzeige sein wird, frag ich mich, wieso. D&B ist doch nun wirklich nicht populär genug, als dass sich das auszahlen würde.

Das neue Ding aus London heißt Dubstep. Ganz Europa schielt neidisch auf die elektronischen Revoluzzer in Brixton. Der neue Style ist am Freitag (29. Juni) erstmals auf einem Trierer Dancefloor zu erleben.

Den Bericht von Jörg Halstein für hunderttausend.de kann man hier lesen!

Kleine Anmerkung zu dem ansonsten gelungenen Beitrag: „Erstmals auf einem Trierer Dancefloor zu erleben“ war Dubschlepp am 11.11.2005 (Helau!). Als würden wir hier erst mit dem Sound aufwarten, nachdem Intro, Arte und you-know-who schon auf den Stil aufmerksam geworden sind 😉 Gedreht hat die Scheiben damals auch schon Herr Flex.
Der Beleg-Flyer:

siehe Beitrag hier

und Review hier.

mybreaks 450

MyBreaks Vol.2:
Feindsoul (Sidechain Music, Mainz)
Myom (tempo90, Trier)
Freitag 27.07.2007 – ab 23.00 uhr
Down Under, Neustr. 56, Trier
www.mybreaks.de
myspace.com/feindsoul

Nach dem erfolgreichen Erstling im Mai folgt nun die zweite Ausgabe von MyBreaks – A Bass for Friends! Erwartet dicke Bässe und knackige Beats mit einer gehörigen Portion Funk und Elektro, Reggae-, Rock- und HipHop-Einflüssen.Wo andere Langweiler schon in die Sommerpause gehen, werden bei MyBreaks noch feine Gast-DJs geladen: Feindsoul aus Mainz hat schon in allen Ecken Deutschlands aufgelegt und sogar schon Jamaica mit seinen Scheiben beschallt.

Der vielseitige Feindsoul legt neben alle Arten von Breakbeats und Drum&Bass auch Electro, House und ein wenig Techno auf. Als Produzent hat er Veröffentlichungen auf Sidechain Music und Jerona Fruits (UK). Als wenn das nicht schon genug wäre: Auch in der Indie/Electrotrash-Szene ist er als Gitarrist / Sänger der Postpunk/Indie-Band Simca fest verwurzelt.

Checkt den Promo-Mix!

mybreaks2 web
Flyer!

Als ob ich nicht eh schon genug narzistische Selbstdarstellung betreiben würde – da gibt es doch tatsächlich Seiten, die einem das abnehmen. Da es tatsächlich einige Hörer von Myom bei Last.FM gibt, gibt´s dort auch ganz automatisch ne Künstlerseite von mir. Für nen Drum&Bass-DJ vom Dorf, der noch nicht mal selbst produziert ja schon mal nett: Bin beliebter als Shy FX 😉 Nee, schon klar, dass die URLs bei zusammengesetzten Namen anders aussehen.

Hab mich dann aber mal gleich angemeldet. Wer´s nocht nicht kennt: Jetzt teilt mein Winamp-Plugin namens Audioscrobbler Last.FM mit, was gerade auf meinem Computer läuft und erzeugt daraus ein Musikprofil. Boah wie interessant. Interessant ist eher, dass dann anhand des Musikprofils ein Webradio zusammengestellt wird. „…alright …“

Allerdings hat CBS die Butze gerade aufgekauft, von daher gibts wohl bald Werbung galore auf die Öhrchen.

Aber was wohl auf schäuble.de/myom alles so zusammenläuft?

Du hast keinen Bock dauernd Pizza zu essen Рdu willst nicht dauernd D̦ner essen.

Dann haben wir die L̦sung. Geile Pizza in einer einzigartigen Mischung mit D̦ner. Fifity РFifty Рperfekt abgeschmeckt.

Klingt absurd und unverdaulich? Der neueste Streich der Fastfood-Mafia? Nein, so werden in this little town of ours „neue Partykonzepte“ großflächig und crossmedial beworben.

Ich hab nur „Black Music“ gegen „Pizza“ und „Alternative“ gegen „Döner“ ausgetauscht (und essen statt trinken, abgeschmeckt statt abgemischt). Die Interpunktion hab ich auch nicht verbrochen … Vielleicht leb ich ja in der falschen Welt, aber die beiden Stile haben doch auschließlich gemein, dass sie in Trier die meisten Leute ziehen. Wenn ich mir so einen Musikmix mit den im Kontext genannten Künstlern vorstelle … man füge oben „Kaffee“ & „Bier“ ein, um ein ähnliches Schaudern zu erzielen.

Wenn man den Fragen im ersten Absatz mit lautem „Ja!“ entgegnet, dann haut einen die angebotene Lösung garantiert vom Hocker. Vor Lachen. Oder weil man sich zu fest vor die Stirn klatscht.

Fällt sowas keinem auf? Blieb vor lauter innovativem Konzepte ersinnen keine Zeit mehr für´s Korrekturlesen? Spricht aus all dem die Verzweiflung? Oh ja. Sowohl die der Veranstaltenden, als auch die meine. Und die vom Captain.
Picarddisgust