Indie-Wahn

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Für uns heißt „Independent“ immer noch unabhängig zu sein – den öffentlichen Raum für selbstbestimmten und kreativen Ausdruck frei zu halten von den Herrschaftsansprüchen des Mainstream.[…]So lange die Reaktion von Leuten auf diese reine Verwaltung von Massen, die Beschneidung kreativer Potentiale zugunsten des Mainstream Verweigerung heißt, Ablehnung dieser einheitlichen Scheiße – so lange denke ich mir, ist die Zukunft für Minderheitenproduktionen für die nächsten Jahrzehnte gesichert.Achim Bergmann, Label-Kopf von Trikont (deutsches Independent-Label seit 33 1/3 Jahren) im Interview

In der Clubsound-Ecke wird ja viel über den Minimal-Hype gequatscht („you call your music minimal, but I just call it simple …„), aber auch in anderen musikalischen Ecken werden Etiketten auf alles draufgepappt, was sich nicht wehren kann: Wenn ich alle Trierer Parties, die sich dem „Indie“-Genre und allem Angliederungsfähigem verschrieben haben zähle, komme ich auf gut 12 Formate, von denen ca. 9 in den letzten 12 Monaten entstanden scheinen (man korrigiere mich bitte).

Bis vor gut 2 Jahren war „Indie“ in Trier nicht völlig tot, aber es roch komisch. Dann brachte der Panic Club frischen Wind, der im Emu’s / Down Under gestartet und inzwischen zum Mega-Hype mit bis zu 1200 Besuchern in der Produktion mutiert ist. Dort hat dann auch gleich Formate nachgezüchtet: Totally Wasted but Yeah, Death to Disco, Encore (manchmal dienstags), der sagenumwobene „Black Music meets Indie“-Donnerstag (schon wieder tot) und „Indie Dependent“, die Party mit dem schönsten, weil tiefblickenlassendsten Namen.

Bis vor einigen Monaten ebenfalls in der Produktion waren Trashique, die inzwischen im Down Under zu Hause sind, wo sich auch die Panic’s inzwischen gerne mal Luft vom kommerziellen Druck verschaffen und den ganzen Abend nur Lieblingsplatten statt Crowd Pleaser spielen.

In die Woche packt selbst das Forum seinen alternativen Dienstag (unregelmäßig) und das sog. Gitarren-Studio (schon wieder tot). Am anderen Ende des Spektrums im ehemalige Hort alternativer Subkulturen, hat das Exhaus den Aufwind auch nicht völlig verschlafen. Man hat hier traditionell eher auf Konzerte gesetzt, vom knickrigen Publikum dafür aber eine Absage erhalten. Aber Party-Formate gibt’s auch: Disco Destruction 3000, die Visions Party – ein Marken-Franchise eher fragwürdiger Natur – und jetzt neu am Mittwoch das Bewilderment Department.

Jemanden vergessen?

Paradiesische Zustände? Mit „Glück“ kann man von Dienstag bis Samstag jeden Abend zu Indie & Co feiern gehen. Ideal für das chronisch leere Portemonnaie der studentischen Klientel. Die geht dann auch am liebsten für 2,50 dahin, wo alle anderen auch hingehen statt via Konzertbesuch, die originären Künstler zu unterstützen. Denn die sind ja in Zeiten des Mitklauinternetz 2.0 immer mehr auf Toureinnahmen angewiesen.

Nicht nur, dass der Endverbraucher sich nen Scheiss darum schert. Auch die Multiplikatoren denken scheinbar immer weniger an die (oder in) independenten Strukturen. Es ist mehr als Gemunkel , dass manche „DJs“ sich vorwiegend aus Soulseek und anderen Tauschbörsen bedienen. Auch kurzfristig erfüllte Wunschlisten im Netz, deuten darauf hin. [Wunschlisten? A DJ is not a jukebox, dachte ich immer.] Kostenminimierung aus Liebe zum Kunden, denn damit kann man den Eintritt bei max. 3 Euro halten, wozu die Konkurrenz am Markt ja „zwingt“. Der Geiz ist geil-Denke den Hof machen. Für mich klingt das nicht sehr indie und alternativ.

Mich kotzt dabei an: Die Arbeit anderer einsetzen, den kompletten Profit selbst einstreichen und sich dann noch independent und alternativ schimpfen. Es geht mir weder um das Kopieren zum Eigengebrauch noch um die Formatfrage Vinyl-MP3.

Auch letzteres kann man kaufen, nur bitte nichb bei russischen MP3-Diensten.

[Dennoch: Vinyl mag ja ein anachronistisches Medium sein, aber gerade in mit Kleinstauflagen agierenden Nischen ist es immer noch ein sehr gutes Mittel, um dem Künstler die Butter auf’s Brot zu bringen.] Ich hab einen Heidenrespekt vor jedem, der mit einer gewissen Authentizität versucht, von Musik zu leben.“Indie“ ist also ein Riesending. Vormals Bedeutung die sich mit vielfätigem musikalischen Inhalt füllen ließ, ist sie inzwischen immer weiter auf einen bestimmten Sound reduziert, der selbst im Mainstream angekommen ist. Zu Konzerten geht aber kein Mensch. Und vielleicht fliesst noch nicht mal viel über record sales zurück.

Geschichte der deutschen Independent-Labels die Gründe sind scheinbar andere geworden.

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