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Wer meine Sets verfolgt, dem ist vielleicht mal aufgefallen, dass ich oft und gerne betont habe, dass diese ausschließlich mit Vinylscheiben aufgenommen sind. Diesen Hinweis wird es vermutlich nie wieder geben. ‚Immermusik‚ (Boom-Tschak #02) ist wohl der letzte Mix, der ohne digitale Unterstützung auskommt.

Der Vinyl-Purismus ist passé: Rane Serato Scratch Live 2 ist ins Setup integriert. Kurz erklärt: SL2 ist eine Hard- & Software-Kombination, die es erlaubt, auf normalen Plattenspielern mit speziellen Controlvinyls aufzulegen, auf die man beliebige Soundfiles wie MP3s mappen kann. Für den DJ ändert sich dadurch am Interface für’s eigentliche Mixing nichts – zumindest was die Hände betrifft, für Augen und Ohren mitunter schon, aber dazu später.

Die Wahl des Rechners fiel auf ein Thinkpad X220i. Neben den Leistungsanforderungen sollte es eine max. Größe von 12-13″ haben und für den Clubeinsatz robust gebaut sein. Dort ist auch nützlich, dass es zwar keine beleuchtete Tastatur, aber ein kleine Lampe neben der Kamera gibt, die die Tasten erhellt.

Als zusätzlichen Controller hab ich die Novation Dicer im Auge, aber das entscheide ich erst nach ein bißchen weiterem rumprobieren. Der gute Ecler HAK 320-Mixer wird nicht so schnell ausgetauscht. Da der keine Effekte hat, wäre es reizvoll, die Serato-FX via Controller einzusetzen, aber ich bin bisher kein großer FX-Freund.

Der Grund: Der Connaisseur braucht Access

Als DJ interessiert es mich, interessante Musik aufzuspüren, zu bearbeiten und anderen zugänglich zu machen. Und egal wo die Mission zwischen „I make you jump & sweat“ und „I make you listen in awe and wonder“ angesiedelt ist, mit dem Zugang zu Information, d.h. Musik, fängt alles an.

Der Hauptgrund für diesen Switch ist die Masse an großartiger Tracks, die nur noch digital erscheint, was mich lange genug frustriert hat. Zudem werden die verbleibenden Vinyl-Releases auflagenorientierter, heisst: Viel Avantgardistischeres erscheint zur potenziellen Verlustminimierung rein digital. Die Stückmargen sind bei Vinyl zwar einiges höher, dafür aber auch die erheblichen Fixkosten für Pressung, Distribution … da schlagen die klassischen ökonomischen Vorteile digitaler Netze durch. Da die Künstler mehr an in schwarzes Gold gepresster Musik verdienen, wird weiterhin auch gekauft, was auf solchem erscheint.

Erster Eindruck nach 3-4 Sessions

Eine absolut richtige Entscheidung: Endlich alles auf dem Teller. Plus kleinere Arbeitserleichterungen für das Drumherum in einem reduzierten Interface. Die Software übernimmt allerdings nicht automatisch das Beatmatching, also die Synchronisation der Scheiben, wie z.B. das Konkurrenzprodukt Traktor. Das muss man schön weiter selbst machen. Allerdings funktioniert die visuelle Hilfestellung über BPM-Anzeigen und Wellenformen tatsächlich gerade bei vertrackteren Beats sehr gut.

Aber an die will ich mir gar nicht groß gewöhnen. DJing ist für mich reizvoll, da man es mehr oder weniger blind mit den Ohren und Händen macht. Ungewöhnlich in unserere visuell-dominierten Kultur. Und besonders für jemanden, der ihrer digitalen Seite seine (langen) Tage widmet, war es für mich immer eine Oase der Analogen, mich an die Plattenteller zu stellen.

In Analogie zu vielen anderen Feldern habe ich gegrübelt, wie sich mittelfristig der Unterscheid bemerkbar macht, ob man seine Kompetenzen aus der analogen in die digitale Domäne mitnimmt oder man von Anfang an mit den ‚Stutzrädern‘ Waveform & Co. anfängt und seine Ohren nicht so trainieren muss.

Auch noch aus der Abteilung „Opa erzählt vom Krieg“: In den 90ern hab ich für die ersten 12″ mit zwei Tracks noch 18 Mark bezahlt. Heute bekommt man dafür knapp das Zehnfache als MP3s, von der vielen freien Musik und dem illegalen Angebot mal ganz abgesehen. Die Menge macht die Auswahl und Zusammenstellung nicht einfacher. Ich habe mir natürlich gleich eine Fülle an Musik gekauft und schnell festgestellt, dass ich sie natürlich noch gar nicht gut genug kenne, um ein vernünftiges Set aufzustellen.

Was kommt: Sets, Sets, Sets!

Ich sortiere gerade Tracks für ein neues Dubwise/Raggajungle-Set, wie sie mir gerade im Club auch wieder irre Spaß machen. Besonders Lust habe ich außerdem auf ein dubbiges Halfstep-Set (Arbeitstitel Dub Foundation) und ein tribal/percussionlastiges Set. Und Cumbia natürlich, da ging auf Platte fast gar nix.

Wo bleibt Dubstep? Drum&Bass hat sich wohl Dank Dubstep in den letzten Jahren von seiner Formelhaftigkeit gelöst und ist wieder verdammt spannend geworden. Statdessen hat Dubstep gerade eher aktuell ein Problem mit Mainstreamadaption (Scooter, Nena, Justin Bieber …. Hallo?!?!) seiner eher dämlichen Midrange-In-Your-Face-Plärr-Facette, das mich sehr abschreckt, auch wenn natürlich weiterhin jede Menge toller Sachen rauskommen. Aber das überlass ich dann doch lieber den 1A-Experten Flextronic und RFLX.

Herr Bachor bat mich, für Spy in The House eine All Time Top 20 zusammen zu stellen. Die beste Musik evvvaaarrr! Nicht so einfach, wie sich herausstellte. Ich hab mich insofern etwas aus der Affäre gezogen, als dass ich Tops von Myom dem DJ rausgesucht habe, denn für den sind weniger Genres relevant. Ãœber meine persönlichen Tops hätte ich noch viel länger grübeln müssen. Die Liste stellt also einige der wichtigsten Tracks & Alben meiner DJ-Mucke-Sozialisation zusammen, nicht unbedingt die „zeitlosesten“. For your Bequemlichkeit mit einigen Links zu YouToob.

  • AMIT: Roots [ Commercial Suicide 012 12″ UK | 2003 ]
  • AMON TOBIN: People like Frank [ Ninja Tune UK | 1998 ]
  • AMORPHOUS ANDROGYNOUS: Tales of Ephidrina [ Astralwerks Album UK | 1993 ]
  • AQUASKY VS MASTERBLASTER: Beat the System [ Botchit & Scarper Album UK | 2002 ]
  • BOYMERANG: Balance of the Force [ Regal 013 Album UK | 1997 ]
  • COLDCUT: Journeys by DJ: 70 Minutes of Madness [ Music Unites Mix-CD UK | 1995 ]
  • DIGITAL: Watch it [ Reinforced 164 12″ UK  | 2001 ]
  • DIGITAL MYSTIKZ: Anti War Dub [ DMZ 007 12″ UK | 2006 ]
  • DJ ZINC: 138 Trek [ Phaze One 03 12″ UK | 1999 ]
  • JOHN B: Up all Night [ Metalheadz 0141 12″ UK | 2001 ]
  • LFO – LFO [ Warp 005 12″ UK | 1990 ]
  • LTJ BUKEM – Demon’s Theme [ Good Looking GLR001 UK | 1991 ]
  • MARCUS INTALEX & S.T. FILES: How you make me feel [ 31 Records 009 12″ UK | 1999 ]
  • M.I.S.T. & HIGH CONTRAST: 3 am [ Soul:R 005 2*12″ UK | 2002 ]
  • PHOTEK: The Hidden Camera [ Science QEDDT1 2*12 UK |  1996 ]
  • PROPELLERHEADS: Dive! EP [ Wall of Sound UK | 1996 ]
  • RUFIGE KRU: Dark Metal (Source Direct Remix) [ Razors Edge 005 12″ UK | 1997 ]
  • SHACKLETON: Blood on my Hands [ Skull Disco 003 12 “ UK | 2006 ]
  • WARLOCKZ FEAT. SIMPLETON: Walk with your Friends [ Crunk 001 Canada 12″ | 1999 ]
  • TOASTY – Like Sun [ Hot Flush 12″ UK | 2004 ]

Es vergeht ja kein Tag, an dem mich jemand auf der Straße auf meine Mixe anspricht und fragt: „Wie machst du das bloß?“ Ganz einfach: Jahrelanges, hartes Training. Dank meiner eisernen Disziplin bin ich nun in der Lage über 30 DJ-Techniken in einem Mix (!!!) einzusetzen, um mich musikalisch und künstlerisch durch Breakbeat-Vinyl auszudrücken:

  • Start drücken
  • Stop drücken
  • Tonarm hochmachen
  • Staubfussel von der Nadel entfernen
  • Nadel auf erste Platte legen
  • Kopfhörer einstöpseln
  • auf die Ohren setzen
  • von einem Ohr wegnehmen
  • Plattencover aus der Plattenkiste nehmen
  • Platte aus dem schönen Karton-Cover nehmen
  • Platte doch wieder zurücklegen
  • andere Platte aus dem Case nehmen
  • aus der zerrupften Papierhülle futscheln
  • Platte um 360° zwischen zwei Fingern drehen
  • auf Plattenteller legen
  • wieder runternehmen, umdrehen und mit der flachen Hand drauflegen
  • Nadel auf die Platte setzen
  • Platte vor und zurück drehen, um den Anfang des Tons zu finden
  • Platte loslassen
  • an andere Platte anpassen
  • Finger auf Pitch-Fader legen
  • Pitch hoch und runter schieben um Tempo anzupassen
  • zweiten Line-Fade hochziehen
  • künstlerisch an den EQ knöpfen drehen (= Gesicht machen, wie Hendrix beim Solospielen)
  • Crossfader von links nach rechts bewegen (und zurück)
  • mit dem Kopf im Takt nicken
  • mürrisch gucken
  • Zigarette rauchen
  • soviele Tracks von von Foren-Nerds im Internet gehypten Künstlern spielen, wie man finden kann
  • in die Tracklist zu mind. 50% „White“ oder „Promo“ schreiben

Diese Versatilität ist nur mit Vinyl möglich und kann von Laptop-DJs mit ihrer Software niemals aufgebracht werden: Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click … Click 😉

Durch eine Diskussion im Tanith-Forum angetreten, muss ich mal meine Meinung zu einem Aspekt von DJ-Mixes äußern. Dürfte auch für Menschen interessant sein, die kaum eine Ahnung haben, wie man als DJ so arbeitet.

Ausgangspunkt der Diskussion ist, dass Circuit Breaker (Berliner Breaks Producer + DJ) ziemlich empört davon berichtet, wie ein nichtgenannter DJ der mittleren Preisklasse (max. unterer vierstelliger Gagenbereich) bei ihm eine Mix-CD aufgenommen hat. Besagter DJ hat dann 12 von 14 Ãœbergängen mehrfach eingespielt und aufgenommen. CB sollte das dann für ihn am PC zusammenschneiden. Die so entstandene Mix-CD wird dann von besagtem DJ als ‚Live-Mix CD‘ verkauft. D.h. dass er mit etwas wirbt, das er live im Club niemals reproduzieren könnte. 😯

Interessant finde ich daran, wie solche Praktiken „der Großen“ ihren Status zementieren. Im Drum&Bass gibt’s ja ohnehin das Dubplate-Business, also nur eine handvoll DJs haben Tracks vor ihrer offiziellen Veröffentlichung und werden gebucht, weil sie immer frisches und exklusives Zeug in ihrer Plattentasche haben. Hier wird über die Selection (Plattenauswahl) eine Exklusivität produziert, die Nachfrage generiert und höhere Gagen rechtfertigt.

Oben genanntes Problem des Editierens am PC betrifft die technische Komponente des Mixings (quasi das Handwerk). Die big ones legen Qualitätsstandards fest (= Qualität des Outputs an Mix-CDs), mit denen sich jeder kleine DJ als Mitbewerber messen muss. Allerdings ist das Verhalten bzgl. Editing nicht wirklich transparent, sondern wird verschwiegen / kleingehalten. Auf keiner CD steht was davon.

Zum anderen herrscht an der DJ-Basis eine auch von oben gepuschte Norm, dass man seine Mixe an einem Stück aufzunehmen hat. Dadurch kommt es dann schon mal zu Unreinheiten, insb. wenn man gewisse Ambitionen hat, was man denn da abliefern will (schnelles Mixing, lange Ãœbergänge, Double-Drops usw.) Der Otto-Normal-Hörer, der noch nie was vom Editieren gehört hat, vergleicht dann die Mixes von DJ Big mit DJ Nachwuchs und ist dann möglicherweise von der Ãœberlegenheit des Big-Mixes überzeugt, da hier keinerlei Unreinheiten auftreten.

Meine eigene Praxis ist, dass ich für meine Promo-Mixes zuerst ein Programm zusammenstelle und das dann mal durchspiele. Raum für Improvisationen lass ich dabei schon mal (in Dubmarines sind z.B. 1-10 und 17-24 geplant, die Mitte entstand eher situativ). Dann wird das Ding in einem Rutsch aufgenommen. Wenn zuviel schiefgeht, muss man eben nochmal starten. Weil: dann hat man’s auch drauf und kann live Gutes abliefern (wobei natürlich immer noch Tagesform und technische Rahmenbedingungen immer ne Rolle spielen).

Massives Editing sollte m.E. kenntlich gemacht werden. Grundsätzlich habe ich gar nichts dagegen. Aber wenn das Editing nur unkenntlich machen soll, was man mit herkömmlichen Mitteln nicht erreicht, ist das mehr als unnötig. Die neuen technischen Möglichkeiten können ja durchaus zu interessantem Output führen, wie z.B. die Mixes von Soulwax / 2 Many DJs oder der hier angegebene von Kid Kameleon.