Der “Second Summer of Love” 1988-89 startete die britische Ravekultur und legte die Grundlage für ein Massenphänomen, das die 1990er Jahre global prägte. Pirate Radio brachte die Underground-Musik aus dem Rave auf die Straße und in die
Adern des täglichen Lebens, „eine virtuelle Präsenz, ein latentes Potenzial, das den Glauben der Gemeinschaft an ihre eigene Existenz während der brachliegenden, toten Zeit vor und nach dem Rave untermauert“ (Simon Reynolds, Energy Flash, 1998). Der Sound etablierte sich rasend schnell und im halbjährlichen Takt entstanden neue Spielarten und abgrenzbare Musikgenres.

In Deutschland wird elektronische Tanzmusik eng mit House und Techno und ihrer durchgängigen 4/4 Bassdrum assoziiert. In UK spaltete sich hingegen bereits 1990 das sogenannte Breakbeat Hardcore Continuum ab: Beats werden erstellt ausgesampelten und nachbearbeiteten Funk-, Soul- und Jazzloops, die mit Versatzstücken anderer Genres kombiniert werden, woraus eine Reihe neuer Genresentstand: UK Garage, Jungle, Drum´n´Bass, Dubstep, Grime u. a., die von vielen ihrer prominenten Protagonisten als Black Music eingeordnet werden, da sie maßgeblichen von People of Color geprägt sind.

In England selbst lenkte jüngst ein Deportations-Skandal wieder Aufmerksamkeit auf die sogenannte “Windrush Generation” der karibischen Migrant*innen von 1948-1971. Sie selbst und ihre Nachkommen machten Reggae, Dub und Soundsystem-Kultur in England heimisch und hatten damit ab dem Ende der 1970er Jahre breiten Einfluss auf die Musikszenen des Vereinigten Königreichs, so z.B. auf Post-Punk (The Police, The Clash …) als auch Pop (10cc, UB40, Culture Club, Soul II Soul …) und später in großem Ausmaß auf HipHop. Es entwickelten sich zahlreiche Produktions- und Spielarten, ohne die die Musiklandschaft heute ganz anders aussähe. Aktuell häufe sich im UK Jazz die Dub-Einflüße (Sons of Kemet …).

Bedeutend erscheint auch die soziokulturelle Dimension: Besonders im Thatcherismus der 1980er hatte Musik generell eine wichtige Funktion als Zufluchtsort. Dies gilt verstärkt für die speziellen Events der kompetitiven Soundclashes mit ihren Masters of Ceremony (MCs) und DJs, die als Vorläufer der Rapper gelten und insbesondere in den Instrumentalpassagen der Dub-Musik die aktuellen sozialen Umstände reflektierten.

These cultures, like dub and dancehall, from so-called ghetto areas, proved to be very vibrant, very enduring, because they have to work hard to satisfy people in oppressed conditions. (…) They have to lift people out of their surroundings and
make them forget. Like Bob Marley said: When the music hits, you feel no pain. (Steve Barrow, in : Dub Echoes, Dokumentarfilm, 2008)

Sehr leicht lässt sich der musikalische Einfluss von Dub und seiner puristischen und minimalistischen Ästhetik auf die elektronische Musik erkennen: In den vorwiegend instrumental gehaltenen Stücken, werden Bass und Schlagzeug als primäre Elemente behandelt, während andere Instrumente in den Hintergrund treten. Basslines werden songtragendes Element und Melodieträger.

Dub-Musik entstand ursprünglich als alternative Versionen regulärer Reggae-Songs, die anhand der Originalaufnahmen mithilfe eines Studiomischpultes und zahlreicher Effekte, wie Hall, Echo und Filter erstellt wurden. Neue Musikstücke entstanden also auf Basis bereits eingespielter Performances – ein absolutes Novum. Das Studio wurde zum kreativen Instrument und Ausdrucksmöglichkeit für die Produzenten, die sich von bloßen Dienstleistern zu eigenständigen Künstlern wandelten.

Die Grundidee der heute allgegenwärtigen Remixkultur – der Kreation des Neuen aus vorhandener Produktion – lässt sich also bis in die frühen Dub-Studios zurückverfolgen, die mit ihrer Produktionsweise anknüpften an das akusmatische Prinzip der Musique Concrète (nach Pierre Schäfer), der Loslösung des aufgeführten Klangs von seinem Ursprung, um zur reinen Studiokreation zu werden, die ihre Herkunft verschleiert.

Breakslinger schreibt:

„Anfang des Jahres habe ich ein AV-Liveset zusammengestellt und noch im ersten Lockdown in den eigenen Wänden aufgenommen. Das ganze ist nun online: ein Dawless-Liveset mit audioreaktiven Visuals, angesteuert von Akai Force. Das Setup sah folgendermaßen aus: neben der Force als Taktgeber und Midi-Zentrale kamen noch Behringer Pro-1, Korg Monologue, Waldorf Blofeld und DIY Delay & Distortion-Pedale zum Einsatz. Ein Laptop mit vvvv sorgte für die Echtzeit-Visualisierung, ein weiteres fürs Abgreifen des Video-Outs.

Da auf dem analogen Pro-1 keine Presets gespeichert und abgerufen werden können, habe ich die Potieinstellungen ganz oldskool-like auf Kärtchen notiert und beim Spielen „abgerufen“, nicht immer von richtigen Tracks, hehe. Außerdem habe ich aufgepasst, dass alle drei Kameras gleichzeitig laufen — Umstände, für die ich mir zukünftig etwas überlegen werde.“

via https://breakslinger.wordpress.com/

Wir hatten in einem Beitrag von gestern darauf aufmerksam gemacht, dass wir Angst um Rassismus und Anti-Semitismus auf einer Trierer Drum’n’Bass Veranstaltung haben.

Die betreffende Veranstaltung wurde nach einem Gespräch zwischen Exhaus und den Veranstaltern nun abgesagt.

Danke an den positiven Zuspruch von all den Menschen, die verstanden haben, worum es hier eigentlich geht und was auf dem Spiel steht, wenn menschenfeindliches Gedankengut verbreitet wird.

Die Diskussion um unseren Text hat uns aber auch schockiert. Im Kern hat er drei Aussagen: 1) Da ist ein DJ, der explizit „sicher kein strammer Nazi“ ist. 2) Der aber sehr fragwürdigen Inhalt mit diskriminierenden Aussagen teilt und auch solche Äußerungen von sich gibt. 3) Die Veranstalter hatten auf Hinweise dazu mit offenem Desinteresse reagiert. Der Text enthät keine Beschimpfungen,
Boykottaufrufe o.ä., sondern stellt nüchtern die Sachlage dar, wie sie sich online präsentiert.

Natürlich ist der Mensch dahinter sehr vielfätiger. Trotzdem muss jeder im Netz wachsam sein, welche Aussagen man unterstützt. Leider gibt es im Netz heute viele Seiten, die es darauf anlegen, dass sich jemand in Verschwörungstheorien verrennt, die z. B. andere Menschen diskriminieren.

Wir hatten Screenshots mit Belegen absichtlich nicht veröffentlicht, sondern an die Veranstalter geschickt, trotzdem haben sie leider am Freitag ihr Statement veröffentlicht, unseren Aussagen sei kein Glauben zu schenken und eine Hetzkampagne. Das war unfair und hat die Klärung der Sache leider erschwert.

Wir denken nicht an „Feinde“ und „Konkurrenz“, wenn sich jemand Neues für Drum’n’Bass interessiert. Daher sind wir offen und kooperativ gewesen, wie schon in all den Jahren zuvor. Das werden wir auch weiterhin tun. Und wir hoffen, mit euch allen in Trier gemeinsam eine diskrimierungsfreie Clubkultur zu pflegen.

#spreadlovenothate – Die Lyrics von DRS bringen es auf den Punkt.

These days I don’t watch the news
‚Cause it’s always pain
One-sided stories told
Keeping minds in chains
Dividing, conquering while corporations gain
And politician’s lies how our freedom fades
But if we got to be the solitary light in the dark, then I will
And if we got to be the only ones Sharing our hearts, then I will
We keep on holding things together
While they pull them apart
But I will
Spread love to my very last day on this earth
And I will, I will Spread love, spread love, spread love
I will, I will, I will [x2]
In times like these people just wanna fly
They just want a reason ‚cause they just wanna smile
They just want a leader
But they don’t want the lies
They want freedom to live
Because they don’t wanna die
We’re searching for guidance
So we look to the sky
They know love is the answer
But they don’t wanna try
A mother screams her child’s name with tears in her eyes
On a sinking refugee raft with no land in sight
What’s the wrong or the right
It doesn’t cost you to smile
Or spread love to another person traveling through life
A single act of kindness maybe change their day or their life [x2]
While surrounded in darkness I spend my days in the light
To spread love cause we need it ‚Cause they’re feeding us lies
Spreading hatred through the matrix is the way they divide [x2]
And change the way they decide
These days I don’t watch the news
‚Cause it’s always pain
One-sided stories told
Keeping minds in chains
Dividing, conquering while corporations gain
And politician’s lies how our freedom fades
But if we got to be the solitary light in the dark, then I will
And if we got to be the only ones
Sharing our hearts, then I will
We keep on holding things together
While they pull them apart
But I will
Spread love to my very last day on this earth
And I will, I will Spread love, spread love, spread love
I will, I will, I will [x2]
These days I don’t watch the news
‚Cause it’s always pain
One-sided stories told Keeping minds in chains
Dividing, conquering while corporations gain
And politician’s lies how our freedom fades
But if we got to be the solitary light in the dark, then I will
And if we got to be the only ones
Sharing our hearts, then I will
We keep on holding things together
While they pull them apart
But I will Spread love to my very last day on this earth
And I will, I will
Spread love, spread love, spread love
I will, I will, I will

Kurzfassung: Auf einer D&B-Party am 09.03.2018 legt ein DJ auf, der auf FB viele anti-semitische und rechtsextreme Posts verbreitet. Ich habe ihn und dann die Veranstalter mit einigen Tagen Vorlauf  darauf angesprochen und ihnen die Möglichkeit gegeben, selbst die Situation zu bestimmen. Doch sie interessiert das nicht. Daher machen wir das nun publik.

Musikkultur ist nicht nur das, was aus den Boxen kommt. Seit über 20 Jahren lebe ich D&B und Jungle – es ist kulturell ein Teil von mir. Und wie in anderen Bereichen meines Lebens, stelle ich mich hier Rassismus, Anti-Semitismus, Seximus und anderen Formen von Diskriminierung entgegen.

Die internationale Drum’n’Bass-Szene hatte gerade erst ihren größeren Skandal mit dem rechtsextrem gewordenen Producer & DJ Mistabishi (siehe https://www.billboard.com/articles/news/dance/8094458/mistabishi-racist-immigrant-comments-hospital-records), der in Folge seiner Äußerungen u.a. von Hospital Records gekickt wurde und auch in Deutschland gab es schon vereinzelte Fäle, die in hochkantigem Rauswurf geendet sind.

Leider haben wir nun in der lokalen Szene einen Fall eines DJs, der anti-semitische und rechtsextreme Posts auf Facebook verbreitet. Ich hatte mich zunächst an ihn selbst, dann an die verantwortlichen Promoter/Veranstalter gewandt. Da ihnen das jedoch „am Arsch vorbei“ geht, spreche ich nun hier öffentlich darüber.

Anti-semitische und rechte Verschwörungstheorien

Der Betreffende legt als Gast-DJ am Freitag 09.03. auf. Er ist ganz sicher kein strammer Klischee-Nazi. Aber er postet regelmäßig rechtsextreme Propaganda und Desinformation auf seinem FB-Profil.

Ein Beitrag feiert z. B., dass „Weltführer“ Sebastian Kurz, der rechtspopulistische österreiche Kanzler, die jüdische Hochfinanz mit ihrem Engagement für die „offene Gesellschaft“ aus dem Land jagt (auch bar jeder faktischen Grundlage https://wissenschaft3000.wordpress.com/2017/10/20/httpwp-mep1nmic-sen/). Ein anderer Fake-Beitrag behauptet, dass das Innenministerium in NRW mit einer „Verhaltensanweisung“ die Polizei verpflichtet, Kriminalität von Flüchtlingen u.a. Ausländern zu verschweigen (https://www.mimikama.at/facebook/verhaltensanweisung-nrw/). Er vertritt in Kommentaren die rassistische „Überfremdungsthese“, dass der Islam sich in Europa durch Zuwanderung und höhere Geburtenraten durchsetzen wird. Dazwischen immer wieder Beiträge von Seiten, wie „Fakten schaffen“, „Deutsche Patrioten Saarland 5.Division“ u.a., die in der rechten Szene angesiedelt und für ihre Fakes und Desinformation bekannt sind.

Ich hatte ihm das mehrfach, immer ruhig und sachlich kommentiert und auf Fake-Entlarvungen hingewiesen, teils löschte er die Beiträge, teils nicht (ich habe noch verschiedene Screenshots). Zuletzt hatte er mich für meine Kritik blöd angemacht, es ginge wohl über meinen geistigen Horizont, dass wir alle manipuliert würden. Auf meine wiederum aufklärende Antwort darauf, hatte er mich dann  „entfreundet“.

Auf dem rechten Auge arg sehschwach: Die Promoter

Die Promoter veranstalten seit September 2017 in Trier. Ich hatte sie nun angeschrieben, sie auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht und gefragt, was ihre Haltung dazu sei. Indem ich zuallererst mit Ihnen gesprochen habe, hatten sie die Gelegenheit, die Situation selbst in die Hand zu nehmen.

Leider wird ihrerseits der Sachverhalt völlig bagatellisiert und ignoriert („geht mir am Arsch vorbei“, wenn „er mal hier und da was gepostet hat, was nicht jedem gefält„). Auch nach wiederholten Hinweisen und konkreter Erläuterung der spezifischen Posts erfolgte keinerelei verantwortungsvolle Reaktion, wie z. B. die Thematisierung gegenüber ihrem Gast anzugehen. Dies hat mir die Entscheidung abgenommen, mit der Angelegenheit nun an die Öffentlichkeit zu gehen. Jeder sollte wissen, wen er da mit seinem Ausgehverhalten u. a. unterstützt.

Es ist traurig, wenn solchen Einstellungen eine Bühne geliefert wird, in einer Szene, die man offenbar wenig kennt und ihren Werten keinen Respekt gegenüberbringt (siehe z.B. https://ukf.com/words/db-scene-unites-to-fight-prejudice-with-drum-bass-against-racism/21171). Dass man dafür die Bühnen des ExHauses mißbraucht, wo seit Jahrzehnten gegen solche Einstellungen gearbeitet wird, macht es nur noch schlimmer.

Ökonomisierung politischer Aushandlungsprozesse: Der Backlash

Es ist vorausschaubar, dass mir das nun als motivierte Aktion gegen die „Veranstalter-Konkurrenz“ ausgelegt wird. Dem kann ich entgegenhalten: 1) Die Fakten sprechen für sich. 2) Ich habe das ja zuerst den Promotern überlassen. Ginge es mir um Schaden, hätte ich anders agiert. 3)  Ich bin gegen solche Einstellungen vorgegangen, seit ich 16 bin. 4) Der Effekt wird vermutlich nicht groß sein, allemal so kurzfristig. 5) Ich habe schon gleich im Herbst den Kontakt zu den Newcomern gesucht, um Termine abzusprechen und wir haben Platz für ihre Planungen gemacht. Gegen mehr gute Drum’n’Bass-Events habe ich nichts, im Gegenteil. Gegen solche Einstellungen und ihre ignorante Unterstützung allerdings sehr viel.

Marcus bei „10 Jahre tempo90“ 2011 im Exil

Beim letztjährigen Sun & Bass-Festival fiel uns auf, wie viele verschiedene DJs unterschiedlichster stilistischer Ausrichtung in ihrem Set einen Klassiker von Marcus verbaut hatten. Soviele zeitlose Drum’n’Bass-Tracks hat wohl kaum jemand sonst produziert – leider wird kein neuer mehr dazu kommen, da er am 28.5.2017 überraschend verstorben ist.

Ich hatte es zufälig sehr früh erfahren und wollte es gar nicht glauben. Drei Tage vorher hatte ich noch einen Fragebogen ausgefüllt, wen ich für die drei einflussreichsten Personen in der Szene halten würde, natürlich ihn genannt und über seine Stellung nachgedacht. Und dass sich in den Tagen danach die Timelines mit betrübten Stellungnahmen aus aller Welt füllten zeigt, dass die Drum’n’Bass-Familie eine ganz zentrale Figur verloren hat.

Und es war wirklich überwätigend, was da in den vergangenen Wochen passierte. All die Tributes und Charities, Anteilnahmen und persönlichen Geschichten, die aus allen Ecken der Szene aufpoppten, machten wirklich klar, dass seine Musik und sein Einfluss noch lange Jahre im Drum’n’Bass ihren Platz haben werden.

Marcus & ich 2011 im Exil bei „10 Jahre tempo90“

Er war auch für mich eine große Inspiration: Als wir mit tempo90 anfingen, Drum’n’Bass nicht nur für Friends & Family zu veranstalten, startete Marcus zeitgleich mit seinem Soul:R-Label. Er prägte den Sound jener Zeit, in der sich abzeichnete, dass Drum’n’Bass nicht nur ein Flirt mit irgendeiner Musikrichtung, sondern wirklich ein Teil meines Lebens werden würde.

Mir war es schon immer wichtig, dass wir mit unseren Events ein breites Spektrum abdecken und hatte daher selbst innerhalb der Crew vor allem die melodiöseren Sets und Liquid Tracks präsentiert. Und dass da mehr geht, als dark, hart und aggressiv hatte Marcus schon ’98 mit „How you make me feel“ auf 31 Records belegt und diesen kühl-deepen Soul mit Tracks wie Universe auf Metalheadz u.a. stilistisch geprägt. Später legte Soul:R dann jahrelang die Meßlatte für Liquid Funk, der bis Mitte der 00er seine goldene Ära hatte und dann irgendwann weitgehend in Formelhaftigkeit versank, während Marcus Soul:R schon in ganz andere Richtungen gesteuert hatte. Immer progressiv, aber immer klar verwurzelt in seinen markanten Basslines und der Art, wie er seine Drums zum rollen brachte.

Soviele zum Bersten positiv aufgeladenen Momente im Exhaus, Palais am Dom (wo wir phasenweise 3-400 Gäste hatten) oder der Idealbank (oh mein Gott) sind ganz eng mit Tracks von Marcus und seinem Label verbunden. Und natürlich 2003 in Mainz: Den ersten Abend als Paar mit meiner heutigen Frau verbrachten wir auf einer Party mit Intalex. Oder diese wunderbare Nacht im Londoner Turnmills mit DRS am Mic … live hat er die Seele mit Bass massiert, wie kein anderer.

An seinen Sets schaute ich mir auch einiges ganz genau an: Lange Ãœbergänge, Spannungsbögen über mehrere Tracks aufbauen und bloß kein Verkriechen in einem Subgenre, sondern Drum’n’Bass in all seiner Vielfalt abwechslungsreich präsentieren, bei ganz hoher Meßlatte für die Selection.

Zu unserem 10-jährigen Jubiläum 2011 holten wir Marcus dann endlich nach Trier. Da wurde nochmal klar, dass der eher verschlossenere Typ, den man als arrogant und grummlig mißverstehen kann, tatsächlich aber ganz down to earth und ebenso herzlich ist, wie unsere anderen UK-Kontakte und damit seinem größten Trierer Fanboy und Namensvetter gar nicht so unähnlich. Der wird ihn noch lange vermissen. Und mit Stolz und einer Träne im Auge seine Musik weiterspielen. Ein Tribute Set nur aus seinen Tracks werde ich am 8.7.2017 spielen.

Hier noch das Lob, das ich damals für seinen Pressetext ausschütte:

Marcus Intalex ist seit 21 Jahren im Musikgeschäft und zählt zu den Tonangebern in der heutigen Drum&Bass-Szene. Als Produzent zeichnet er für zahlreiche Klassiker verantwortlich, zudem führt er mit Soul:r eines der meistrespektierten Labels des Genres.

In seinen DJ-Sets zeigt er immer wieder, wie wunderbar Clubmusik auf einem ganz unterschwelligen Level funktionieren kann: Mit einer fein durchdeklinierten Soundästhetik, einer minimalen Struktur und einem pulsierenden Bass. Wo andere simpel brachiale Sounds arbeiten lassen, setzt Marcus auf hypnotische Deepness, die sich viel subtiler aber dafür umso gewaltiger offenbart. Ein durchtanztes Intalex-Set gilt in der Szene nicht umsonst als „massage for mind, body and soul“.

Seine exquisiten Sets, die die unterschiedlichste Einflüsse des Genres auskundschaften, haben ihn schon in Clubs und Arenen rund um die Welt gebracht. In seiner Heimat spielt er neben Gigs im ganzen Land seine Soul:ution-Resident-Nights im Londoner Fabric und in Manchester. Seine Radioshow für die Red Bull Music Academy und sein MP3-Shop abunchofcuts.com zeigen, dass er weiterhin neue musikalische Wege beschreiten wird.

Mit Veröffentlichungen auf seinem eigenen, wie mit Gastauftritten auf legendären Labels wie Metalheadz, Ram oder 31, positioniert er Drum&Bass als zeitgemäße „urban soul music“. Sein neues Album „21“ erscheint am 18. April auf Soul:r.

Soul:r :
1999, als das Genre von düsteren und aggressiven Sounds dominiert war, startete Marcus‘ Track „How You Make Me Feel“ auf 31 Records die Wiederbelebung eines warmen, organischen Sounds im Drum&Bass. Sein eigenes Label Soul:r führt dies seit 2001 fort und zählt heute zu den meistrespektiertesten Labels des Genres überhaupt. Der titelgebende, soulgeschwängerte uplifting Sound mit Vocaleinsatz und Songstrukturen ist nicht alles – das Label hat seit 2008 ebenfalls eine ganze eigene minimale und staubtrockene Ästhetik entwickelt und vieles vorweg genommen, wofür heute Labels wie Autonomic und Künstler wie D-Bridge oder Instra:Mental stehen. Deren Deepness hat mitunter klare Einflüsse aus Detroit, so dass es nicht verwundert, Größen wie John Tejada oder Nomadico von Underground Resistance mit Remixen auf dem Schwesterlabel Revolve:r zu finden.

Ihr Lieben, wie ihr vielleicht schon gehört habt, könnte unsere Party am kommenden Wochenende die letzte in der Villa Wuller werden. Wahrscheinlicher ist aber, dass es weiter geht.

Die Villa hat schon seit einer Weile finanzielle Schwierigkeiten, die es dem Betreiber Berni nicht mehr möglich machen, den Club wie bisher weiter zu führen (das offizielle Statement hier).

Ich schrieb Berni dazu:

„So pathetisch das klingt, war die Villa schon immer ein Beweis, dass es noch Gutes in der Welt gibt. Und das sogar vor der Haustür.“

Und dabei soll es bleiben: Es wird auf Basis eines Kulturvereins weitergehen. Mehr Mitmachen ist hier allerdings notwendig. Dass das geht, zeigen ähnliche Strukturen andernorts.

Wir selbst haben uns fest vorgenommen, diesen neuen Weg mit Engagement zu unterstützen und auch auf Einnahmen weitgehend zu verzichten, da wir inzwischen fast alle nicht darauf angewiesen sind.

Als tempo90 sind wir im 17. Jahr dabei, kontinuierlich Drum’n’Bass in Trier zu machen und damit die langlebigste Crew zu sein. Da ist bei dieser seltsamen Nischenmusik ein kleines Wunder. Es zeigt aber auch, dass es immer Möglichkeiten gibt, alternative Räume aufzumachen.

Und dafür ist die Villa die beste aller Locations, in der wir in 20 Jahren Auflegerei zuhause sein durften. Und das hat natürlich vorrangig mit der Attitüde zu tun. Das Villa Team hat es verstanden, auf einer soliden Basis aus gutem Sound und ein paar klar kommunizierten Grundregeln Spielräume für freie Atmosphäre zuzulassen, in der man vor allem im gemeinsamen Tanzen aufgehen konnte. Das hinzubekommen, ohne dass es kippt, ist extrem schwierig.

Dass das Konzept finanzielle Schlagseite bekommen hat, hat nichts mit seinem Wert zu tun. Wenn ihr den schätzt, dann fragt, was ihr tun könnt und tut es. Es fühlt sich gut an. Ich bin zuversichtlich, dass es gemeinsam weitergehen wird und die Villa im Kern der außergewöhnliche Ort bleiben wird, der er für die letzten 6 Jahre war.

In diesem Sinne feiert nochmal mit uns:
tempo90 feat. DJ G.I.D. @ Villa Wuller

Here is an (almost complete) version from the live performances of our ‘Binary Patina’ project at Irminenfreihof Trier from 23rd and 24th October 2015 (buy the album on Bandcamp).

‘Binary Patina’ was the title of a series of two audiovisual live-performances that were staged as facade projections of over 800 square meters in size. For the second installment of ‘Binary Patina’, the at the time unused former Prosecutor’s office of Trier, Germany, was used as the canvas for a dynamic pictorial layer that addressed the threat of global surveillance in the digital age: Audio-visual samples of contemporary discourse, historical data on US drone strikes from the Dronestream API (banned by Apple), excerpts from the Snowden leaks, maps and 3d-renderings of NSA’s Dagger Complex near Frankfurt and GCHQ headquarters in the UK, partially obscured beyond recognition, were synthesized with the music and real-time-generated visuals.

Unfortunately it is extremely difficult and expensive to film projection mappings such as ours. So the video does not recreate the live experience at all, but gives an impression about what we did. If you like the album, it might also be interesting to listen to some earlier version from some of the tracks.